Book:Atomenergie – „ein friedlicher Mörder“/ Vielleicht in Japan?

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G.F. Lepin, I.N. Smoljar (2012): Atomenergie – „ein friedlicher Mörder“

Teil I. AKWs – Atombomben, die Strom erzeugen

Vorwort | Kluge Gedanken kluger Menschen | Einleitung

1. Atomenergie– du, unsere Teuerste!

2. Wo ist sie – die Sicherheit der Kernenergieanlagen? | 2.1. Vielleicht in Japan? | 2.2. Wir schreiten allen anderen voran | 2.3. Experimente | 2.4. Wozu braucht der Iran AKWs?

3. Ist eine Koexistenz der Atomenergie mit der Natur und der Menschheit möglich? | 3.1. Ehrliche Lüge | 3.3. Können wir noch warten?

5. Wo sind sie – Atomneubauten des neuen Jahrhunderts?

6. Können wir ohne Atomenergie überleben? | 6.1. Windenergie | 6.2. Solarenergie | 6.3. Und wenn beides zusammen? | 6.4. Wie sieht es damit in Russland und Weißrussland aus?

7. Braucht die Bevölkerung neue AKWs? Und die alten? | 7.1. Fazit

Teil II. Wollen wir gemeinsam überlegen?

Das „Experiment“ verläuft erfolgreich (Pamphlet) | Wozu braucht die Katze einen Schwanz? | Fische suchen sauberes Wasser | Das „Experiment“ verläuft erfolgreich (Pamphlet) || Haupttrumpf | Wieviel Jahre kann ein Reaktor halten? | Tschernobyl-Effekt | Womit droht uns die Zukunft? | Der Wind „bläst die Strahlung weg“ oder Windanlage gegen Atomkraftwerk | Kategorisch untersagt! …Aber der Wunsch ist stärker… | Wer handelt mit dem Atomtod? | Nützlich und unschädlich oder schädlich und nicht nützlich? | Ein Fass ohne Boden | Der verlorene Motor | Ein "friedlicher“ Mörder | Countdown läuft | Nachwort – Warnung!


2.1. Vielleicht in Japan?

Selbstverständlich hängt die Wahrscheinlichkeit einer Havarie in einem Atomkraftwerk sowie ihre Ausmaße und Folgen von den technischen Charakteristiken des Objekts selbst, seinem Standort, der Bodengestaltung und Besiedlungsdichte der Region, der Qualifikation und dem Verantwortungsgefühl des Bedienungspersonals sowie von vielen anderen objektiven Faktoren ab. Der sogenannte „menschliche Faktor“ ist in dieser Aufzählung einer der wichtigsten. Nach dem Kriterium „Zuverlässigkeit" dieses Faktors könnte man alle Länder der Welt, in denen AKWs betrieben werden, in eine Reihenfolge bringen. Wenn die Reihenfolge mit Ländern mit niedrigster Zuverlässigkeit beginnen sollte, so kämen Ukraine, Russland und Weißrussland(wenn es ein AKW hätte) in die oberen Positionen. Etwas weiter von den Ländern mit niedrigster Zuverlässigkeit würden in dieser Reihenfolge Frankreich, die USA, Großbritannien und Deutschland stehen. Und am Ende würde sich am ehesten Japan befinden, ein Land mit einem sehr hohen Verantwortungsgefühl der Menschen für ihre Arbeit. In diesem Land darf es überhaupt keine Fehler bei der Bedienung der so komplizierten Technik geben. Deswegen wäre es sehr interessant, in dieses Land zu schauen und zu versuchen, den Schleier des Geheimnisses zu lüften, das von der Atomlobby aller Länder verhängt wurde. Also: Wie werden heute Energieprobleme in Japan gelöst? Und wie zuverlässig sind die Atomkraftwerke in diesem Land? Bis 1999 befanden sich in Japan 53 Atomenergieblöcke in Betrieb, die etwa 30 % Elektroenergie produzieren sollten. Freilich war gemäß Angaben der japanischen Presse für das Jahr 2000 der reale Anteil der AKWs wesentlich bescheidener – lediglich 12,4 %. Nicht viel. Somit kann man nicht sagen, dass Japan sehr von der Atomenergie abhängig ist. Um so mehr, dass in der letzten Zeit die Entwicklungsraten dieser Branche stark (ja fast katastrophal) fielen. Der Grund dafür liegt in einem stärkeren Widerstand der Bevölkerung gegen den AKW-Bau nach einer Reihe Havarien in den Atomobjekten. Herrje, auch in diesem Land sind die Havarien in AKWs keine Seltenheit!

Wenn wir über Havarien in Atomkraftwerken der ehemaligen UdSSR sprechen, so erwähnen wir auch eine nicht überaus hohe Qualifikation und, Hauptsache, ein unzureichendes Verantwortungsgefühl unserer Atomspezialisten. In der Tat, es ist gut bekannt, dass der Tschernobyl-Reaktor nicht ganz „eigenwillig“, sondern auf „ausdrücklichen Wunsch“ des Bedienungspersonals explodierte. Aber bei Japanern…? Ihre außerordentliche Akkuratesse, ihr Verantwortungsgefühl, eine bedingungslose Einhaltung der technischen Vorschriften, sogar eine gewisse Pedanterie sind ja allgemein bekannt.

Es ist jedoch auch in Atomkraftwerken Japans bei weitem nicht alles ruhig. Viele Havarien werden ebenfalls geheim gehalten, aber ab und zu „taucht manches auf“. Und ein Brodeln unter der Bevölkerung beginnt. Der Verzicht auf den Bau neuer AKWs mit der Begründung „Berücksichtigung der Situation vor Ort“ ist eine nicht seltene Reaktion der Behörden. Aber auch mit den alten, seit langem in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken ist nicht alles in Ordnung.

Es ist beispielsweise bekannt, dass die Gesellschaft TokyoElectric Power, die eine energieintensive Region – Tokio und Umgebung – mit Strom versorgt, zum 15. April 2003 alle 17 Reaktoren, die sie besaß, „zur Überprüfung" stillsetzenmusste. Zahlenmäßig ist das immerhin fast ein Drittel des gesamten „Atombestandes“ Japans. Und die Leistung der stillgesetzten Reaktoren betrug 38 % von der Gesamtleistung aller Atomreaktoren Japans. Der Grund für die Stillsetzung war „eine Reihe von Skandalen und zunehmendes Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber der Atomenergie“. Wie lange dauerte diese „Überprüfung“? Diese Gruppe Reaktoren gehört nicht zu den ältesten: das „Durchschnittsalter“ liegt unter 20 Jahren. Unter den stillgesetzten gibt es sogar Reaktoren „in einem Kindesalter“ von jeweils 9 und 13 Jahren. Die „Überprüfung“ dauerte durchschnittlich anderthalb Jahre. Und sogar zum 30.09.2005, d.h. nach zweieinhalbJahren, zählten von den 17 Reaktoren dieser Gesellschaft 7 Reaktoren immer noch als „für Inspektion provisorisch stillgesetzt“,und noch einer befand sich „im kontrollierten Betrieb“.

Da haben wir eine hohe Zuverlässigkeit der Atomtechnik: Selbst in der Hand der japanischen Spezialisten „will sie nicht“ normal arbeiten. Dieses Beispiel ist nicht das einzige. So wurden von den 11 Reaktoren einer anderen Gesellschaft – Kansai Electric Power – nach dem Störfall an einem Reaktor im Unternehmen Michama am 24.08.2004, ebenfalls zur „Überprüfung“ 7 Reaktoren stillgelegt.

Insgesamt waren zum 30.09.2005 von den 53 Reaktoren:

„für Inspektion provisorisch stillgelegt“ 18 Reaktoren
„nach einer Havarie stillgelegt“ 1 Reaktor
„im kontrollierten Betrieb“ 5 Reaktoren

Somit befanden sich insgesamt 24 Reaktoren außerhalb des normalen Betriebes.

Das ist fast die Hälfte des gesamten Reaktorenbestandes! Und das Interessante dabei: Diese massenweisen Stilllegungen der Reaktoren riefen keine ernsten Engpässe in der Energieversorgung hervor. Wovon zeugt das? Dadurch wird lediglich die Tatsache bestätigt, dass die Wirtschaft Japans von der Atomenergie wenig abhängig ist.

Auch die Dynamik des Energieverbrauchs in Japan ist erstaunlich. In einer japanischen Zeitschrift werden Daten angeführt, die besagen, dass in der Zeit von 1973 bis 2001 der Energieverbrauch in der sich intensiv entwickelnden Industrie praktisch unverändert blieb. Dieses Phänomen lässt sich nur damit erklären, dass in Japan eine äußerst große Aufmerksamkeit der Produktion von energiesparenden Erzeugnissen und der Entwicklung von energiesparsamen Technologien geschenkt wird. Daraus kann man eine sehr wichtige Schlussfolgerung ziehen: Ein Produktionswachstum erfordert nicht unbedingt ein Wachstum des Energieverbrauchs.

Aber zurück zur Situation mit Stilllegung der Atomreaktoren. Offensichtlich liegt einer der wichtigsten Gründe dieser Massenstilllegungen in der aktiven Einstellung des japanischen Volkes, das seinen auch ohnehin sehr knappen Lebensraum mit diesen unfreundlichen und bei weitem gar nicht so sicheren Atommonstern nicht teilen will. Als der Bau der Atomkraftwerke in Japan begann, schien die Atomlobby nicht besonders vom Problem der Nachbarschaft der Menschen und der AKWs besorgt zu sein. Nicht einmal Gedanken an die Gefährlichkeit dieser Bauanlagen tauchten bei ihnen auf. Das mag eine Erklärung für viele unsinnige und äußerst gefährliche Lösungen sein, die in Japan auf dem Gebiete der Atomenergie beschlossen worden waren. Nur eines der vielen Beispiele dafür:

So wurde auf einem begrenzten Küstenabschnitt des Japanischen Meeres bei der Stadt Maizuru in Richtung der Stadt Fukui ein ganzer Komplex Atomkraftwerke gebaut, zu dem 14 Reaktoren (noch eines befindet sich im Bau, zwei weitere sind in der Phase der Vorbereitung zum Bau) gehören. Zum ersten, eine Konzentration einer so großen Zahl Reaktoren auf einem Abschnitt von 50-70 km ist widersinnig. Noch widersinniger ist „zum zweiten“: 60 km von diesem „Reaktorfeld“ liegt Kyoto, eine Stadt mit fast anderthalb Millionen Einwohnern. Etwas weiter – 75 km von diesem „Feld“ entfernt – befindet sich die fast genau so große Stadt Kobe und in einer Entfernung von 100 km – die Stadt Osaka mit 2 Millionen 600 Tsd. Einwohnern. Selbst nach nicht ganz korrekten allgemein geltenden Normen dürfen Atomobjekte in einer Entfernung von mindestens 100 km von großen Siedlungen gebaut werden. Es sei bemerkt, der explodierte Tschernobyl-Reaktor beweist, dass auch einhundert Kilometer Sicherheitsabstand viel zu wenig sind. Und hier sind die Wohnorte sehr groß, während die Entfernungen zu ihnen wesentlich kleiner sind.

Es gibt aber auch was „zum dritten“: Kyoto, Kobe und Osaka bilden einen der beiden leistungsfähigsten Industriekomplexe Japans. Die Bevölkerungsdichte in dieser Region ist fast dreimal so hoch wie die durchschnittliche Bevölkerungsdichte im Land und beträgt 1000 Einwohner pro Quadratkilometer (!). All das macht die Situation äußerst gefährlich. Der Beschluss über die Stilllegung von sieben Reaktoren von den 14 auf diesem „Feld“ bestehenden konnte aus diesen Überlegungen gefasst worden sein.

Aber die Atomlobby Japans will nicht verstehen, dass allein schon die Existenz der Atomenergie in diesem Land eine Todesgefahr für das Land und für das Volk birgt. Man entwickelt weitere Pläne, durch die diese Gefahr noch größer wird – den Bau neuer Atomobjekte. Die Gesellschaften Tohoku Electric Power, Chubu Electric Power und Hokuriki Electric Power beabsichtigen, das Volk Japans in den nächsten Jahren mit drei neuen leistungsfähigen Reaktoren zu bescheren. Und in der Zukunft möchten sie weitere 8 Reaktoren bauen, darunter zwei mit einer noch größeren Leistung.

Man bekommt den Eindruck, dass die Atomlobby Japans sich konsequent als Totengräber ihres Landes produziert. Das Volk scheint dies verstanden zu haben: Sein Widerstand gegen den Bau neuer Atomkraftwerke bringt schon Früchte. Aber das reicht nicht. Eine Todesgefahr für das Land bergen auch alle heute in Betrieb befindlichen Reaktoren. Und nicht nur als Havariequellen, gefährlich sind radioaktive Emissionen daraus (sogenannte „lizensierte“, d.h. genehmigte Emissionen). Ihre Stilllegung würde eine Rettung für das Land bedeuten. Um so mehr, dass der Bedarf an diesen gar nicht offensichtlich ist. Wie bekannt, liegt Japan in der Zone aktiver tektonischer Prozesse. Und Erdbeben gehören fast zum Alltag. Es ist kaum vernünftig, auf solchen Territorien derart gefährliche Objekte wie Atomkraftwerke zu bauen. Die Geschichte hat schon Warnzeichen gegeben. Es sei nur an eines erinnert. Sicher kennen Sie das Wort „Tsunami“. Gott bewahre, so was zu erleben! Das Wort haben die Japaner erdacht (zu ihrem Leidwesen). Ab und zu werden sie von dieser Naturgewalt heimgesucht. Wenn die ungeheure Ozeanwelle, geboren durch ein Erdbeben unter dem Ozeangrund, die Küste erreicht, so richtet sie die Küste und alles, was sich darauf befindet, zugrunde. In einer japanischen Zeitschrift wird ein solcher Fall beschrieben: „Der mächtigste uns bekannte Tsunami ereignete sich nach einem Unterwasser-Erdbeben 240 km von der Küste Japans am 15. Juni 1896. Die Japaner gaben ihm den Namen „Sanriku“. Eine gewaltige Welle, die 30 Meter hoch gewesen sein soll, kam völlig überraschend. Das Ergebnis: 27 122 Todesopfer und 10 617 in die See weggeschwemmte Häuser.“

Praktisch alle japanischen Atomkraftwerke befinden sich in den Küstengebieten. Welche Garantien können japanische Betreiber der Atomkraftwerke geben, wenn auf die Küste eine Welle abstürzt, hoch wie ein zehngeschossiges Haus? Aber auch ohne Tsunami – das Land wird häufig von nicht gerade harmlosen Erdbeben heimgesucht. Und von gewaltigen Taifunen. Kann ein vernünftiger Mensch unter solchen Bedingungen über die Zuverlässigkeit von Atomreaktoren sprechen? Es scheint, Gott strafte die japanische Atomlobby, weil sie die Vernunft verwarfen.

Die Natur mahnt die Japaner, dass sie auf Inseln leben, die völlig unerwarteten Einwirkungen ausgesetzt sind. So brach am 11. August 2009 an der Süd-Ost-Küste Japans ein Erdbeben aus, wodurch zwei von vier Reaktoren stillgesetzt werden mussten, die der Firma Chubu Electric Power gehören. So leben die Japaner in Erwartung neuer Unannehmlichkeiten, die ihnen AKWs bereiten.

Und das Desaster brach aus. Am 11. März 2011 ereignetesichim Stillen Ozeanein Erdbebender Stärke 9,0 nach der Richterskala. Die 10 Meter hohe Tsunamiwelle stürzte auf die japanische Küste. Laut amtlichen Angaben kamen über 3.000 Personen ums Leben, mehr als 8 000 sind vermisst. Eswurden die ander Küsteliegenden AKWs betroffen.

Der Abfluss von radioaktivem Wasser in den Ozean konnte nicht verhindert werden. Emissionen von Jod-131 in die Atmosphäre wurden schon am 27. März im Regenwasser im US-Staat Massachusetts entdeckt. Japanische Radionuklide wurden in der Atmosphäre über Europa registriert.

Schon nach ersten Schätzungen belief sich der Schaden durch Unfälle in den AKWs Fukushima-1 und Fukushima-2 auf 130 Mrd. USD. Diese Zahl ist sicher nicht endgültig. Aber das bedeutet, dass der Preis eines jeden in Japan in Betrieb befindlichen Atomblocks um 2,5 Mrd. Dollar höher wird. Keine Kleinigkeit! Alleinda durch wird der Atomlobby die Möglichkeit genommen, von der vermeintlichen Billigkeit der Atomenergie zu sprechen.

Gleich nach dem Unfall erklärte der Premierminister Japans Naoto Kanim Parlament am 29. März: „Wir werden die Entwicklungsauberer Energiequellen – Sonne und Biomasse – als Grundlage unserer Energiepolitik entwickleln, und wir werden darin weltführend werden.“ An demselben Tag bestätigte der Generalsekretär des Ministerkabinetts: „Angesichts des Schadens, den die Katastrophe in den AKWs verursacht hat, wird die Priorität in der Energiepolitik Japans bestimmt den erneuerbaren Energien gehören.“

Sogar politische Opponenten des Premierministers anerkennen, dass ein Verzicht auf Atomenergie unumgänglich ist.

Es wurden massenweise Atomblöcke stillgesetzt. Erstmals seit 1977 sank die Zahl der in Betrieb befindlichen Reaktoren zunächst auf 5, und am 27. Januar 2012 waren es nur noch 3 (d.h. 5,5 % von der Gesamtzahl), 50 Reaktoren wurden stillgelegt. Da ein großer Teil der Reaktoren ein Altervon etwa 40 Jahren haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass viele von ihnen nicht mehr in Betrieb genommen werden.

Dank gemeinsamen Anstrengungen der Regierung und der Bevölkerung konnte der Energieverbrauch zu Juli-August um 20 % reduziert werden. Laut der von der japanischen Zeitung „Asahi Shimbun“ Anfang Juli 2011 durch geführten Abfrage unterstützen 77% Japaner einen Verzicht auf Atomkraftwerke. Eine beeindruckende Zahl!

Das Forschungsinstitut für erneuerbare Energien, Tokio, nimmt an, dass der Anteil der erneuerbaren Energiequellen zum Jahr 2030 30% erreichen kann. Viele halten den Übergang zur vollständigen Energieversorgung aus solchen Quellen zum Jahr 2050 für gar nicht unmöglich. Da auf diese Arten Energie in der Energiebilanz Japans heute lediglich 5% entfallen, können derart radikale Ziffern fantastisch scheinen. Aber die Japaner bewiesen oftmals, dass man ihren Worten glauben kann. Die anderen Länder sollten über diese Ziffern nachdenken und nicht wie bisher fünf bis zehn Prozent als höchstmöglichen Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen anstreben.

Die Einwohner Japans sollten noch eine sehr gefährliche Hinterlassenschaft der Atomkraftwerke – den in riesigen Mengen anfallenden Atommüll – nicht außer Acht lassen. So was hat unser Planet in seinem Urzustand nie gehabt. Und die Atomlobby der ganzen Welt spickt die Erde und Gewässer hartnäckig mit Atommüll. Kein Land hat Erfahrungen mit dessen sicherer Lagerung. Es kann sich aber erweisen, dass das Territorium des Landes für die Unterbringung radioaktiven Abfalls seiner AKWs nicht ausreicht. Es sollen ja riesige Flächen der Nutzung entzogen werden. So hat beispielsweise Frankreich 57 Reaktoren (nicht viel mehr als Japan gehabt hat). Sein Territorium ist anderthalbmal so groß und die Einwohnerzahl um die Hälfte kleiner. Aber auch da gibt es schon Probleme mit der Lagerung des radioaktiven Abfalls. Frankreich versucht, ihn nach Deutschland oder Russland „abzusetzen“. Was soll man da von Japan sagen, wo die Bedingungen nach allen Parametern viel schlechter sind? In Japan kann schon allein das Problem des radioaktiven Abfalls katastrophale Konsequenzen herbeiführen. Und jedes Jahr Betriebszeit eines jeden Reaktors verschärft das Problem. Es ist schon lange Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen!

Es scheint, dass japanische Energieexperten schon dabei sind, nach anderen Wegen zur Lösung ihrer Probleme der Energieversorgung ohne AKWs zu suchen. Es wird über die Möglichkeit eines Elektroenergietransfers von Sachalin über ein Unterwasserkabel aktiv verhandelt. In den nächsten Jahren soll es so weit sein. Es werden Pläne zur Erzeugung der Elektroenergie aus Flüssiggas, das ebenfalls von Sachalin transportiert werden soll, ausgearbeitet. Aber auch über die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen müssen die Japaner gründlich nachdenken. Die heutigen 5 % in der Energiebilanz sind viel zu wenig. In der Nutzung der Windenergie bleibt Japan hinter Deutschland um mindestens 12 Jahre zurück. Dabei hat Japan als Inselstaat unbestrittene Vorzüge hinsichtlich der Nutzung der Windenergie. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Nicht intensiv genug wird auch die geothermale Wärme im Land mit aktiver Vulkantätigkeit genutzt: Heute sind es lediglich 0,4 % in der gesamten Energiebilanz.

Dafür aber hat Japan eine führende Position in einer perspektivischen Richtung der Energiewirtschaft. Ein Auszug aus der japanischen Zeitschrift „Japan heute“: „Ab 2000 hat Japan die führende Position in der Welt bei der Nutzung der Solarenergie. Im ganzen Land erhalten die Benutzer der Solarbatterien: etwa 640 Tsd. Kilowatt Elektroenergie – mehr als die Hälfte der Weltproduktion. Bis zum Jahr 2010 hat die japanischе Regierung vor, diese Zahl um das 7-fache zu vergrößern“. Das ist schon ernst. Man kann also, wenn man will!

Und den Ausschlag dazu muss eine aktive Antiatomposition des japanischen Volkes geben. Heute äußert sie sich nicht nur im Kampf gegen die Atomenergie, sondern auch im Kampf gegen Kernwaffen. So tritt Japan gegen die Pläne der USA, Klein-Kernladungen zu entwickeln. Der Außenminister Japans Yoriko Kawaguti rief die USA auf, „den Bemühungen zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen nicht im Wege zu stehen“. In dieser Frage muss die Position Japans entscheidend sein, da sein Volk Opfer des Atomwaffeneinsatzes war. Und die USA haben friedliche Menschen als Versuchsobjekt gewählt. Das Volk Japans hat nur noch zu verstehen, dass ein beliebiges Atomkraftwerk eine unvergleichlich größere Gefahr darstellt als eine Atombombe. Nannte doch Akademiker P. Kapiza AKWs „stromerzeugende Atombomben“. Man könnte ein Atomkraftwerk auch „eine Atommine, gelegt mit eigenen Händen und auf eigenem Territorium nennen“. Die Rettung Japans liegt in den Händen seines Volkes!

Jetzt aber kurz über Prognoseberechnungen des Schadens, der infolge der Havarien in Atomkraftwerken entstehen könnte. Die von den amerikanischen Spezialisten durchgeführten Berechnungen für eine Reihe ihrer Atomkraftwerke brachten erschütternde Ergebnisse. Abgesehen vom riesigen wirtschaftlichen Schaden, können die Schätzungen der betroffenen Bevölkerung bei solchen Havarien selbst die Rechtmäßigkeit der weiteren Existenz der Atomkraftwerke in Frage stellen. Das sind Hunderttausende Tote, Hunderttausende verschiedene Krankheitsfälle, Dutzende und Hunderttausende bösartige Erkrankungen. Und all das beim ersten etwaigen Unfall in einem der Atomobjekte. Zu Ehren der Amerikaner sei gesagt, dass sie Mut hatten, diese niederschmetternden Angaben zu veröffentlichen.

Dem amerikanischen Beispiel folgend machten auch japanische Spezialisten solche Berechnungen für ihre Atomkraftwerke. Jedoch werden die Ergebnisse geheim gehalten. Kein Zufall: Die Bevölkerungsdichte in Japan ist sehr hoch – 340 Einwohner pro Quadratkilometer (12 Mal soviel wie in den USA). Und in den Standorten der Atomkraftwerke, d.h. in Tälern und in der Nähe von den höchst entwickelten Industrieregionen, ist die Bevölkerungsdichte um ein vielfaches größer. Deshalb werden die Zahlen, die Amerikaner erhalten haben, in den japanischen Berechnungen um ein Vielfaches größer sein. Da geht einem jeden Schauder unter die Haut! Eine Veröffentlichung solcher Angaben käme für die japanische Atomlobby dem Tode gleich. Japanische Spezialisten äußerten sich dazu wie folgt: „In Japan wäre kein einziges AKW gebaut worden, wenn das japanische Volk über diese Berechnungen vor dem Baubeginn gewusst hätte“.

Und dennoch sollte die Bevölkerung Japans eine Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Berechnungen fordern. Alle, die potentielle Opfer der Atomenergie sein können, haben ihr legitimes Recht zu wissen, welche Gefahr ihnen droht. Als erstes müssten zumindest die Ergebnisse der amerikanischen Berechnungen veröffentlicht werden. Schon sie können Menschen zu ernsten Überlegungen und zu aktiven Handlungen stimulieren. Wir zweifeln nicht daran, dass das japanische Volk „erwacht“ und das Versäumte nachholt. Das japanische Volk ist nicht gewohnt, dem Fortschritt nachzuhinken. Wir wünschen dem Volk Japans Erfolg!

Wir für uns müssen jedoch feststellen: Selbst in Japan gefährdet die Atomenergie das Leben.

Laut Prognose der Experten der Internationalen Energieagentur kann der Anteil der Atomkraftwerke in der Erzeugung der Elektroenergie in der Welt nicht auf 14, sondern auf 10 % sinken.