Repression gegen AKW-GegnerInnen in Kudankulam

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Repression gegen AKW-GegnerInnen in Kudankulam

Sind deutsche Firmen am Bau der Atommafiaprojekte in Indien beteiligt?

Der gewaltfreie Widerstand gegen die geplanten und im Bau befindlichen acht Atomkraftwerke an der Südspitze Indiens im Bundesstaat Tamil Nadu hat mit den Seeblockaden durch Hunderte von Fischerbooten und Wassermenschenketten im September und Oktober 2012 beeindruckende Zeichen gesetzt (siehe GWR Nr. 373).

Trotz Militarisierung der gesamten Region durch schwerbewaffnete Polizeikräfte mobilisierten die Fischerdörfer zu einer Demonstration in die 700 Kilometer nördlich gelegene Hauptstadt Chennai (Madras). Von den 10.000 DemonstrantInnen sind dort etwa 3.000 verhaftet und festgesetzt worden, nachdem sie den Regierungssitz umzingelt hatten.

Der Spiegel-Reporter Wieland Wagner, der die zwei kurz vor der Inbetriebnahme stehenden Reaktorblöcke in Kudankulam ganz offiziell besichtigen wollte, wurde fünf Stunden lang verhaftet und sein Handy beschlagnahmt. In seinem Artikel vom 19.11.2012 schrieb er wenig Schmeichelhaftes über den indischen Staat: "Die Zweifel an der Sicherheit indischer Atomanlagen wachsen. Im August legte der Rechnungshof eine vernichtende Kritik an der heimischen Atomaufsicht vor: Über die Hälfte der Prüfberichte gingen zu spät ein, oder die Kontrollen fanden gar nicht erst statt."

Aber Indien will auf Biegen und Brechen die seit fast 25 Jahren zusammen mit Russland geplanten Atomkraftwerke in Kudankulam bauen und kriminalisiert zu Tausenden die protestierenden Menschen in der Region. Eine elfköpfige Abordnung mit MenschenrechtlerInnen, JournalistInnen und JuristInnen wurde 40 Kilometer vor Kudankulam in einem öffentlichen Bus verhaftet, acht Tage inhaftiert und erst dann gegen Kaution freigelassen. In vielbeachteten Appellen und Grußworten haben sich viele Parteien, Intellektuelle (z. B. Noam Chomsky) und ehemalige Regierungsmitglieder aus aller Welt auf die Seite der widerständigen Bevölkerung gestellt. Die Solidarität aus der BRD wurde lediglich durch eine vollmundige Erklärung der winzigen trotzkistischen SAV repräsentiert, was etwas peinlich wirkte.

Inzwischen haben etwa zehntausend AktivistInnen in der Region um Kudankulam juristische Verfahren am Hals oder können den Lebensunterhalt für ihre Familien nicht mehr bestreiten, weil sie im Gefängnis sind. Sie werden von Staat und Medien als Maoisten, Naxaliten und TerroristInnen abgestempelt. Durch Spenden und einen Rechtshilfefond wird versucht, die schlimmsten Auswirkungen der Repressionswelle zu verhindern.

Die acht AKWs werden zwar von Russland gebaut, aber zur Zeit verdichten sich die Hinweise, dass Firmen und ExpertInnen aus Deutschland ebenfalls an entscheidender Stelle involviert sind: "Nach Meldungen indischer Medien wurden Ende Oktober 2012 deutsche Techniker eingeflogen, um den Druckbehälter zu schließen. Zu dem Team eines deutschen Maschinenlieferanten soll ein sehr bekannter Experte gehören. Der NPCIL-Sprecher nannte aber weder den Namen dieses Experten noch den der deutschen Firma. (...) Arbeitet die Protem GmbH aus Dettenheim / Baden-Württemberg in Kudankulam/Tamil Nadu? Protem liefert Maschinen, die beim Schließen des Reaktors zum Einsatz kommen könnten. Protem nennt Rosatom als Referenzkunden. Protem beteiligte sich 2011 an einer Nuklearmesse in Indien.

Oder sind Areva und Siemens mit von der Partie? In Kudankulam sollen moderne, westliche Kontrollsysteme die Sicherheit gewährleisten. Das könnten die Teleperm-Systeme sein wie bei anderen AKWs vom Typ AES-92. (...) Teleperm XS wird von Areva NP in Erlangen entwickelt"[1].

Noch aus einem weiteren Grund ist es angebracht, hellhörig beim indischen Atomprogramm zu sein. Indien hat die weltweit größten Thoriumvorkommen und versucht diese für uranunabhängige Thorium-Atomanlagen, wie sie früher in Hamm und Jülich betrieben worden sind, zu nutzen. Der nukleare Know How-Transfer aus dem "Ausstiegsland" nach Indien sollte genau unter die Lupe genommen werden: Im September 2012 besuchte der indische Staatssekretär Ramasami das Forschungszentrum in Jülich, um die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit zu verstärken. Es geht ganz speziell um "Sicherheits- sowie die Innovations- und Energieforschung" [2], eine seit Jahrzehnten beliebte Jülicher Umschreibung für Nuklearforschung.

Während die Mobilisierungen gegen das AKW Kudankulam in Tamil Nadu zum Jahresende 2012 weitergehen, verstärken die Regierungen von Indien und Japan ihre nukleare Kooperation.

Aber auch hiergegen formiert sich inzwischen asienweit eine transnationale Opposition von 209 größeren Organisationen.

Horst Blume

Quelle: Graswurzelrevolution 375, januar 2013